Unterwegs mit Freunden

Semimoderate Altherrenwanderung durchs wunderschöne Karwendel

Nils, Andreas und ich lernten uns 2011 während der Yogalehrerausbildung im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg kennen. Nach der Ausbildung gingen wir zunächst unsere eigenen Wege, welche sich über die Zeit immer wieder und immer häufiger kreuzten. Wie kaum vorstellbar sind wir in weltlichen Dingen verschieden, denken, leben und handeln sehr unterschiedlich. Doch gerade wegen dieser Unterschiedlichkeit sind wir füreinander, die wir doch auf demselben Weg sind, eine wunderbarer Quelle für Inspiration, Ideen und Neues. 
Dieses mal sind wir aus Berlin (Nils), dem Harz (Andreas) und Rosenheim (meine Wenigkeit) in Rosenheim zusammengekommen um einige Tage im wundervollen Karwendel zu verbringen.

Unsere Reise

Von Rosenheim fahren wir ins Karwendel und verbringen 2 Nächte auf Hütten (für uns alle eine Premiere) und laufen dazwischen ca. 60km und 3500 Höhenmeter. Von der Hinterriß steigen wir ein zur Plumsjochhütte (1550m), übernachten dort und wandern danach zur Lamsenjochhütte (1900m), bevor wir am dritten Tag absteigen und zurück kehren.

Über uns

Nils, gebürtiger Berliner, ist ausgebildeter Physiotherapeut mit so ziemlich jeder Weiterbildung und Erfahrung, die es in diesem Bereich gibt. Abgesehen vom Yogalehrer praktiziert er Thai- Yoga Massage, ist Heilpraktiker, Heilpraktiker für Psychotherapie und kennt jeden Punkt des Körpers, der furchtbar schmerzt wenn er ihn mit seinen sanften und gnadenlosen Fingern drückt. 

Andreas vereint Erfahrungen und Sichtweisen, die selbst mit ihm akut vom Aussterben bedroht sind. Eigenwirtschaftlicher Ackerbau, heimische Heilpflanzenkunde und die authentische Initiation und Praxis ältester Indischer spiritueller Traditionen und Praktiken seien an dieser Stelle auszugsweise erwähnt. Ach, und er tätowiert.

Über mich gibt es hier mehr zu erfahren.

Erster Tag. Ankunft und Wanderung zur Plumsjochhütte

Auf der Straße

Wir starten unsere Wanderung im Rißtal. Nach Lenggries Richtung Süden über die Grenze ist es der einzige Zugang ins österreichische Karwendel. Die Rißstraße führt entlang des gleichnamigen Flusses und mündet schließlich umgeben von Gipfeln im Engtal.

Ebenfalls entlang der Straße gibt es fünf Wanderparkplätze: P1 bis P5. Da sich zwischen P3 und P4 eine Mautstation für die Nutzung der Straße befindet und uns, endlich am Ziel, die Füße juckten parkten wir bereits auf P3. Wir packten enthusiastisch unsere Sachen, verschlossen das Auto und marschierten los. Doch genauso akkurat wie wir die uns umgebenen Berggipfel identifizierten, hatten wir die Distanz zwischen den Parkplätzen eingeschätzt. 

Und so liefen wir erstmal gute zwei Stunden auf der Straße, bis wir, die Wasserflaschen bereits das erste Mal geleert, zur größten Mittagshitze an P5 ankamen und endlich den Einstieg nehmen konnten- der genau bei P5 lag (Empfehlung von mir: Bis zum passenden Parkplatz fahren). 

Endlich aufwärts

Es wurde dann ein knackiger Aufstieg. Zunächst haben wir die immer beeindruckender werdende Aussicht bestaunt, trennten uns dann kurzzeitig aufgrund unterschiedlicher Pausen- und nicht- Pausen- Bedürfnisse und fanden uns bald bei einer guten Brotzeit mit Eier und Kaminwurzen an einem kleinen Bach im Schatten wieder zusammen. Von hier ging es dann sportlich und motiviert weiter aufwärts.

Aus einem Sattel heraus nahmen wir einen kleineren Anstieg auf eine Anhöhe und ruhten zwischen Latschenkiefern in wunderbarem Schatten und Stille. Es folgte die Umsetzung einer Idee- und zwar mit Grillanzündern Wasser zum Kochen zu bringen. Grillanzünder sind gutes, natürliches Material, das rückstandslos und lange brennt und dessen Flamme auch dem Wind einigen Widerstand bietet. Wenn man nur eine kleine Mulde findet, einige Steine hinein legt, darauf einen kleinen Blechkessel mit Wasser stellt und dann 2-3 Grillanzünderstücke zwischen den Steinen entzündet bringt man damit 250-300ml Wasser zum Kochen! Das Ziel war, mittels Siebdruckkanne einen schönen Kaffee zu machen und es gelang! Nach den Strapazen und dem Aufstieg nun im Schatten ausgiebig pausieren, frischen Kaffee und ein indisches Zigarettchen- ein Bedee- fantastisch.

Ankunft im Unwetter

Es folgte eine lange und sehr entspannte Querung mit nur noch wenig Auf- und Abstiegen. Wir begegneten Gamsherden, umgingen unseren -wie wir später resümieren würden- einzig realistisch zu erreichenden Gipfel, da dieser wenig reizvoll nur eine Latschenkieferkuppe darstellte und uns 30-40 Minuten Zeit gekostet hätte. Diese Entscheidung bereuten wir nicht. Wenig später, die Plumsjochhütte bereits in Sicht, begann es zunächst langsam, dann immer mehr und heftiger zu Regnen und Stürmen. Der Himmel öffnete seine Schleusen und ergoß -wir bereits in der Hütte- sich mit Unmengen Wind, Regen und Schnee. Kurz und heftig. Vom Fenster unseres gerade bezogenen Zimmers sahen wir rings innerhalb der großen Verschneidung, in welcher die Hütte steht, unzählige graubraune Rauschbäche den Hang hinabstürzen. Ein dystopisches Spektakel, welches die bis dahin noch offene Diskussion um die Nicht- Besteigung oben beschriebenen Gipfels einvernehmlich schloss.

Froh, diesem Kataklysmus entgangen zu sein, genossen wir unser erstes Helles im Gastraum der wunderbaren Plumsjochhütte. Was wir unheimlich schön fanden war, dass das Abendessen gemeinsam mit allen Gästen eingenommen wurde. Keine Speisekarte, sondern einfach ein richtig gutes Essen für alle gemeinsam an den Tischen zur Essensstunde. Das gab dem Ganzen wirklich etwas Familiäres. Nach dem Essen riss dann draußen der Himmel auf und schenkte uns das schönste Abendlicht, was man sich -vor allem als Fotograf- nur denken kann. Der Himmel glühte zwischen den erschöpften Regenwolken und tauchte den Moment in ein episches Lichterspiel. So genossen wir den ausklingenden Abend an der guten Luft und dem warmen Licht bei einem weiteren Hellen und ließen den Tag damit wunderbar ausklingen.

Zweiter Tag - Langer Weg

Weg ins Tal

Nach einer wirklich entspannten Nacht auf der Plumsjochhütte und einem soliden Frühstück machten wir uns früh auf den Weg hinab ins Tal. Von dort wollten wir das Engtal durchqueren und in den östlichen Teil des Karwendel einsteigen; hoch zur Lamsenjochhütte. Gute 1000 hm Abstieg und 1400hm Aufstieg auf 15km Strecke lagen vor uns. 

Der Abstieg verlief zunächst entspannt. Unsere todsichere Art Gipfel zu raten und die Widersprüche zwischen Google Maps, meiner GPS- Uhr und dem Instinkt führten uns dann in eine kleine Sackgasse. Und wie Männer das richtigerweise angehen ist, die Situation und ihre Gründe sorgfältig zu evaluieren, die Gipfel umzudeuten und die Techniken gegeneinander aufzuwiegeln. 

Wir kamen schließlich zurück auf den Weg und fanden uns mit angehender Mittagshitze an der Südspitze des Engtals. Hier wurde es nun langsam zehrend. Wie bereits zu Anfang gehabt, zog sich auch dieses Tal und besonders die Straße. Die Sonne drückte, einige Wanderer wanderten und  Rennradfahrer zischten gelegentlich vorbei. Die weite Fläche des Tals bestand dabei größtenteils aus gut gepflegter Wiese mit interessant angelegten Baumbeständen. Angelegt glaube ich, denn sie standen alle in respektvollem Abstand zueinander in großer Zahl- wie ein Wald mit stark reduzierter Dichte. Aber sehr konsequent und großflächig und beschattete weite Teile der Wiesen des Tals. Leider nicht die Straße oder ihren Rand. 

Nach einigen Kilometern in der horizontalen fanden wir endlich unseren Einstieg gegenüber eines Bus- und Wanderparkplatzes nahe der Eng- Alm an der Riss. Wir setzten uns in den Schatten, aßen Nüsse und die mittlerweile gewohnten Gamswürste und genossen die Mittagsruhe.

Erneuter Aufstieg

Bald packten wir unsere Sachen und gingen los. Der Weg führte uns zunächst in steilen mini- Serpentinen dem Verlauf eines stürzenden Baches nach oben. Dann wurde der Weg breiter, ausgebaut und führte am steilen Hang zur einen und dem Abhang zur anderen weiter hinauf.

Irgendwann kam Nils zu mir und reichte mir ein Stück Pflanze mit der Empfehlung, diese aufgrund ihrer positiven Eigenschaften zu probieren. Andreas bekam es mit, schaute und insistierte sogleich, dass dies eine nicht ungefährliche Giftpflanze sei, die man leicht verwechselt mit jener, die Nils gerade zu kauen geglaubt hatte. Schnell spuckte er aus, spülte sich den Mund und geriet ein kleines Bisschen aus der Fassung, bat Andreas um eine Verifizierung -die fiel positiv aus-, spülte nochmals den Mund, spuckte aus und versuchte das Ausmaß der Tragik, in die er da geraten war und die Wahrscheinlichket seines nunmehr bevorstehenden Dahinscheidens einzugrenzen. Tatsächlich konnte ich ihn an der Stelle etwas beruhigen, denn der toxische Stoff des Bärenklaus, jener Pflanze die Nils für eine andere hielt, entfaltet seine Wirkung erst durch Sonnenlicht. Furanocumarin heisst die Substanz. Hat man sie auf der Haut und beschattet diese konsequent, passiert gar nichts. Unter Einwirkung von Sonnenlicht allerdings führt der Stoff zu schweren Verbrennungen. Nils hielt sich also die nächsten Minuten am Hang, von dem die überhängenden Pflanzen partiell Schatten auf den Weg warfen. Ich versicherte ihn, dass der orale Konsum einer so geringen Menge ihn nicht von einem Sonnenstrahl entzünden lassen würde- aber sicher ist sicher. 

Das letzte Stück

Es wurde auch nicht leichter. Andreas hielt sich noch am besten, ächzte aber auch schon (kaum wahrnehmbar). Zur ersten Pause auf der Hälfte der Höhenmeter genossen wir wieder Wurzen und Gamswürste, Eier, Nüsse und ein paar Datteln für die Ballaststoffe. Und nach diesem wiederum fettig- salzigen Mahl in der Hitze packte Nils dann einen Sack mit einem guten Pfund Trockenfrüchten aus dem Rucksack. Welche Freude. Der Geschmack von Früchten, Mango, Ananas, Feige… Jetzt war der Tag gerettet. Nach weiteren zwei bis drei Stunden Aufstiegs, die Augen voller Schweiß und wenig sprechend kamen wir dann auf der Höhe an und hatten von einem Zwischengrat einen tollen Blick auf den Weg und das Tal, von dem her wir kamen und auf der anderen Seite des Grates sahen wir in Luftlinie 2 km Entfernung, klein die Lamsenjochhütte zwischen den hohen Gipfeln rund um das ca. 2500m hohe Lamsenjoch. 

An der Lamsenjochhütte- die Magie der Wahrnehmung

Nach einer kleinen Pause und einem guten Stamperl Haselnuss querten wir beschwingt zur Hütte. Diese war gut besucht. Wir checkten zunächst ein und genossen bald wunderbar entspannt in frischer Kleidung das erste Helle. 

Wir saßen zusammen und sprachen über ein interessantes Phänomen, welchem wir dann auf den Grund gingen.

Wenn man im Gebirge aus einiger Entfernung nur Schutt und Geröll anschaut und ohne jeden Bezugspunkt- ein Tier, ein Rucksack oder ein Mensch- ist es kaum möglich die Entfernung abzuschätzen oder irgendetwas über die Ausmaße des Terrains, welches vor einem liegt, zu sagen. Die Nordflanke hinter der Hütte bildete eine Felswand mit einem etwas tiefer liegenden Kar – Geröll-. Und so nah die Wand von der Hütte aus scheint, wird man überrascht, wenn man den Weg, wie wir es taten, durch den Schutt bis zur Wand auf sich nimmt und dann von der Wand Richtung Hütte schaut. Es ist beinahe erschreckend, so eklatant ist die Diskrepanz (die letzten beiden Fotos: Wie weit scheint die Wand von den beiden Personen und danach der Blick von genau dieser Wand in Richtung Hütte).

Es ist bemerkenswert, eine Art stillen Wechsel zwischen Wahrnehmen und Erkennen zu beobachten, wenn zwischen dem Geröll eine Gams zum Vorschein kommt oder eine Dole landet. Plötzlich hat alles eine Größe und Entfernung- und nicht nur Textur.  

Wir verbrachten den Abend dann gemütlich miteinander, redeten, aßen ein überraschend gutes Thai- Curry, welches das Tagesgericht auf der Hütte war und gingen nicht zu spät zum Schlafen in die Koje. 

Das letzte Foto dieses Trips machte ich mit uns zusammen auf der Bank neben der kleinen Kapelle neben der Hütte. Daher und weil der Abstieg und die Rückkehr weitgehend über die schöne Rißstraße zurück zu P3  verlief, ende ich hier mit diesem Reisebericht. 

 

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